Freundschaft

Es ist Sonnabend. Am Nachbartisch sitzen zwei Rumänen und ein Chinese zum Frühstück. Die Rumänen wollen nach Stuttgart. Der Chinese erkundigt sich, ob das eine große Stadt wäre. Die Rumänen bejahen, aber die Einwohnerzahl können sie nicht nennen. Die Unterhaltung findet in englischer Sprache statt. Die drei arbeiten wohl für einige Tage im Stammwerk, hier in der kleinen Gemeinde im Schwarzwald.  Der Chinese erzählt, dass seine Heimatstadt 22 Millionen Einwohner hat. Die Rumänen versuchen zu staunen, ganz Rumänien hat wohl nicht viel mehr.

Die Rumänen erkundigen sich beim Wirt nach einer Fahrverbindung in die Landeshauptstatt. Der Wirt hat nur leichte Probleme die beiden zu verstehen. Offensichtlich hat er oft fremdländisch sprechende Gäste. Er nennt die Bahn als Beförderungsmöglichkeit. Zum Bahnhof allerdings würden sie nur mit dem Taxi kommen. Die Rumänen beschließen nicht zu fahren. Die Firma bezahlt ihnen Flug und Zimmer im Landhotel, aber nicht die Wochenendvergnügung. Der Chinese bietet ihnen an sie mit dem Leihwagen in die Stadt zu bringen.

Am Tisch gegenüber nimmt ein älteres Ehepaar Platz. Das sind aber wohl Urlauber. Sie schauen nicht einmal hinüber zu den englischsprechenden am Nachbartisch. Sie sind es ja auch gewohnt, dass sich die Welt um sie herum englisch verständigt.

Die Polen allerdings, auch Leute, die vorrübergehend in dem Werk arbeiten, bleiben in der polnischen Sprache.

Vor kurzem bekannte sich unser aller Präsident Wulff sich zur Freundschaft mit Polen. Er besucht den Noch-Nicht-Präsidenten in Polen und sie würdigen beide das zwanzigjährige Bestehen des Freundschaftsvertrages zwischen beiden Ländern.

Mit keiner Silbe wird erwähnt, dass die Grenze zwischen Polen und Deutschland, dem östlichen Teil, seit der Gründung der östlichen Republik besteht und der Freundschaftsvertrag zwischen den beiden Ländern, samt der Anerkennung der gemeinsamen Grenzen, fast ebenso alt ist.

Seit wir den Kniefall des deutschen Willi Brandt gesehen haben wärmen sie diese Geste ja immer wieder in den Medien auf. In den letzten zwanzig Jahren besonders oft. Aber es war ein Geste und wenig mehr.

Die Landsmannschaften zu Hause schrien auf. Sie verloren augenblicklich einen großen Teil des Rückhaltes in den Medien, die jetzt natürlich nicht mehr so offen in ihren Schlagzeilen das Zurückerobern der östlichen Gebiete Deutschlands, die Herstellung der Grenzen von 1938 fordern durften.

In den letzten zwanzig Jahren hat sich das Verhältnis zu Polen nicht wesentlich bewegt. In der großen Politik reiben sich beide Länder. Polen spielt immer mal wieder den Kraftmeier und stänkert auch immer wieder, wenn es etwas zu stänkern gibt. Deutschland und die Deutschen sind immer noch der große bedrohliche Nachbarn. Jedenfalls für die große Politik und die Medien.

In der kleinen Politik ist das nicht viel freundlicher. Wo immer Polen auftauchen in deutschen Landen werden sie argwöhnisch beäugt. Der Witz mit dem Teufelchen mit dem kleinen grünen Eimerchen, das er in  Warschau verlor, ist jedenfalls immer noch in den Köpfen.

Sie sitzen auf den Stühlen in den Ingenieurbüros, sie kommen als Spargelstecher, Erdbeer-Ernter und als Reinigungskräfte, sie schicken ihre billigen Holzmöbel und eisernen Gartenzäune über die Grenze und nehmen so manchen Deutschen die Chance auf einen Arbeitsplatz. Angeblich.

Eigentlich aber würde für das Geld, dass die Polen auf diesen Arbeitsplätzen verdienen, kein Deutscher arbeiten wollen. Nicht weil er sich zu schade für die Arbeit wäre, sondern weil er mit dem Geld in  Deutschland nicht überleben könnte. Der gemeine Pole kommt nach Deutschland, macht die Arbeit, lebt in allerbescheidensten Verhältnissen in Unterkünften, die unzumutbar sind, nicht nur für Polen, und fährt mit dem Geld zurück zu seiner Familie nach Polen. Er kann den Seinen davon in Polen den Lebensunterhalt bestreiten. Lebte seine Familie in Deutschland, so könnte er das nicht.

Für den gemeinen Polen ist es eine Möglichkeit sein Leben zu meistern. Oft ist es die einzige Möglichkeit für ihn, bei der hohen Arbeitslosigkeitsrate in Polen.

Und was unterscheidet ihn von den Deutschen, die rund um ihren ostdeutschen Heimatort keine Arbeit bekommen haben und deswegen in die Fremde gingen, z.b. nach Schwaben, wo sie schon wegen der Sprache, schief angesehen werden. Und schief ansehen ist noch das Geringste.

Für den Ostdeutschen war der Kontakt und auch manchmal die Freundschaft mit Polen selbstverständlich. Er hat über den kleinen Grenzverkehr die grenznahen Regionen besucht, hat gemeinsame Feiern mit der Parallelklasse eines Polnischen Lyzeums gehabt, vielleicht auch eine Freundin. Das alles bis die Grenzen nach Polen wieder geschlossen wurden, weil das „gemeinsame“ Deutschland noch keine Friedens- und Freundschaftsvertrag mit Polen hatte und den der DDR auch nicht übernahm.

Als Polen dann zu Europa gehörte, da konnten sie wieder rüber. Nicht mehr wegen der Nachbarn, sondern wegen Zigaretten und Benzin geht es jetzt über die Grenze.

Und die Polen kommen arbeiten.


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