Der Tag der Arbeit. „Arbeit macht frei“, heute können wir freimachen, wir haben ja gearbeitet. „Alles auf die Straße – Rot ist der Mai!“, das sang einst der „Oktoberklub“. Gestern war der „Internationale Tag des Jazz“, heute ist Mittwoch, mit dem Gezeter der Elstern vor dem Fenster, mit der selbstgefälligen Stimme im Radio, aber ohne den Zwang aufzustehen, zur Arbeit zu gehen.
Ein freier Tag mitten in der Woche, ein Freitag auf’n Mittwoch. Eine Arbeitswoche mit zwei Montagen und drei Freitagen. Die Woche hätten sie sich wirklich klemmen können. Als Arbeitswoche taugt sie nicht.
Ich nehme mir heute das Recht auf Faulheit, auch „Muße“ genannt. Das Recht auf Arbeit kann ich morgen wieder wahrnehmen.
Es ist noch ungefähr 100 Jahre her, das waren die Unternehmer der Meinung, eine Arbeitszeit unter 12 Stunden würde die Wirtschaft ruinieren. Die Gewerkschaft organisiert heute in vielen Städten Kinderfeste. Die Kinder sollen heute nicht arbeiten. Und Vorsicht auf den Straßen, da rennen immer noch welche auf der A2 rum, die den gestrigen Sieg von Dortmund im Halbfinale nicht überwunden haben. Walpurgisnacht war auch, aber die war halbwegs friedlich. Gesichtet wurden die wirklichen Hexen nicht, auch keine Ungeheuer oder gar Terrorristen. Zwanzig Festnahmen wegen Landfriedensbruch, so sagt die Berliner Polizei, sei normal und angesichts der mehr als 3000 Demonstranten wäre es eine sehr friedliche Nacht gewesen.
Der RBB feiert sich heute selbst. 20 Jahre Zusammenlegung. Und alles im Interesse des werten Hörers. Öffentlich und rechtlich. Von unseren Gebühren getragen. Kein Wort über die Arbeit heute, es wird gefeiert.
Von wegen Arbeit. Schon 1936 (3 Jahre nachdem der 1. Mai als Feiertag in Deutschland neueingeführt wurde) stellte John Maynard Keynes (Keynesianismus, Keynesianer) fest, dass durch die Steigerung der Produktivität auch der Anteil der Freizeit für den Arbeiter steigen kann. Bis zum Jahre 2030 sollte die täglich notwendige Arbeitszeit auf drei Stunden gesenkt werden können.
Der Deutsche arbeitet durchschnittlich 1430 Stunden im Jahr. Durchschnittlich. Manche arbeiten ein wenig mehr, sie können die Stunden nicht unterscheiden und manche arbeiten nur halbtags.
Warum arbeiten wir so viel, wenn wir doch die Muße anstreben? Wenn wir die Waschmaschine gleich so bauen würden, dass sie zwanzig Jahre hält, dann würden wir uns das Bauen einer zweiten Waschmaschine sparen. Wozu braucht ein Auto anklappbare Spiegel? Die Entwicklungszeit hätten wir uns sparen können. In der gesparten (Arbeits-) Zeit hätten wir mit Freunden feiern können oder Angeln gehen.
Was hat es uns gebracht, unsere schöne bunte Welt mit bunten Magazinen, hundert verschiedenen und mit den doppelt gedämmten Hauswänden und dem redendem Navigationsgerät? Wir kommen schneller zur Arbeit, haben dadurch mehr Zeit für die Erwerbsarbeit, aber weniger ist die Arbeit nicht geworden. Wir gehen immer wieder dahin, jeden Tag. Und nur um unseren Lebensunterhalt zu bestreiten. Wie vor hundert Jahren.
Die Nelke ans Revers gesteckt und raus auf die Straße. Feiern wir uns, den 1.Mai, Keynes, die Arbeit, das Wachstum und die Freizeit.
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