Sehen Sie nach, öffnen sie ihren Küchenschrank! Die Inhaberaktien liegen genau wie gestern fein gestapelt gleich neben den Tassen. Kein Blatt fehlt! Nehmen Sie ein Blatt heraus, schauen sie darauf, das gleiche Papier, die gleiche Farbe, die gleichen Worte, die gleichen Zahlen. Da ist nichts verloren! Keiner hat was weggenommen, keiner hat was dazugelegt. Keiner hat eine Null wegradiert, eine dazugeschrieben.
Also: Keine Panik.
Allerdings sollten Sie jetzt den Gürtel wieder enger schnallen, sich Zeltplane und Fahrtenmesser besorgen. Etwas Reis bunkern, ein Notstromaggregat kaufen. Einschläge Ratgeber zur Krisenbewältigung in ausgeprägten, wohlhabenden Industrieländern gibt es genug. Einige Hinweise finden Sie auch in den Illustrierten und Tageszeitungen. Und nehmen sie die Aktien mit, wenn Sie ihre Wohnung verlassen.
Keine Angst, Sie haben ja nichts zu verlieren, nur das bisschen Leben. Das Haus gehört sowieso schon und immer der Bank, das Auto auch und es ist alt und gehört auf den Schrott.
Und Sie können die Arbeit verlieren. Das mag Ihnen im Augenblick ein wenig bitter sein, aber machen Sie einfach einen ausgedehnten Urlaub. Sie haben es sich verdient. Es gibt ja Stütze. Um die Warenproduktion brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Es ist von allem genug da. Die Regale in den Läden sind voll und sie werden sich in dieser Situation sowieso keinen Drittfernseher anschaffen wollen. Es kann Ihnen also egal sein ob ein vorübergehender Engpass bei den Fernsehern auftritt. Die Lieferung aus Fernost wird schon irgendwann eintreffen. Gönnen Sie sich und Ihrer Familie etwas Freizeit, machen Sie Wellness. Gehen Sie auf Diät.
Die Familie wird ihnen dankbar sein, denn nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen verlängert eine strenge Diät das Leben um mehrere, was sage ich, viele Jahre. Man soll schön früh damit anfangen. Und es gibt ja neben Stammtischen, runden Tischen auch noch die „Tafel“, wo Sie sich dann in die lange Reihe der Gleichbetroffenen einreihen können und soziale Kontakte pflegen. Es wir Ihnen gut tun.
Falls die Phase länger dauert, dann wird sich bestimmt ein Diktator finden, der das alles in den eisernen Griff bekommt, die Wirtschaft wieder ermutigt, Ihnen einen Spaten in die Hand drückt oder ein Gewehr, so dass wenigstens die Waffenproduktion wieder auf hohem Niveau laufen kann. Dann werden die Autobahnen ausgebessert und schon kann es wieder rollen. Sie werden dann Ausflüge mit Gleichgesinnten machen können, vielleicht nach Afrika oder nach China.
Eine schöne Zeit liegt vor uns.
Falls Sie doch Panik haben, weil Sie Ihre Emotionen nicht in den Griff bekommen, dann setzen Sie sich hin und schreiben einen lieben Brief an unsere Politiker und bitten Sie diese, den Spekulanten das Spekulieren zu verbieten und den Banken das Geldscheffeln. Sie werden sehen, Schreiben beruhigt ungemein.
Viel Glück.
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